Der Geist aus Zuffenhausen

Der 911 Turbo Targa ist ein Porsche, den es praktisch nicht gibt.

Die Kraft ist ihm anzusehen: Porsche Targa mit Turboantrieb (Foto: Unternehmensarchiv Porsche AG)

Die Experten der zentralen Klassikabteilung der GTÜ in Stuttgart und vor Ort besitzen die notwendige Expertise für Klassiker aller Art. Sie greifen auf fundiertes Wissen und eine umfangreiche, qualifizierte Datenbank zurück. In loser Folge veröffentlicht das Magazin KRAFTHAND exklusive Einblicke ins Archiv der Sachverständigenorganisation. Diesmal geht es um den Porsche 911 Turbo Targa.

Gespenster entpuppen sich bisweilen als gute Geister. In Hollywood-Schinken zum Beispiel. Auf der Leinwand können Auserwählte die guten Geister nicht nur sehen, sondern auch mit ihnen reden. Nur anfassen geht nicht. Es wird ein Griff ins Leere. Bei diesem Geist hier ist das anders. Reden geht nicht, anfassen schon. Man kann sogar reinsitzen und wegfahren: ein schwarzer Porsche 911 Turbo Targa. Für viele Fans ist er ein Geist, der Porsche, den es nicht gibt. Stimmt natürlich nicht. Aber ganz falsch ist es auch nicht. Zumindest redet Porsche nicht besonders viel über diese Modellvariante, von der zwischen 1987 und 1989 gerade mal 297 Exemplare produziert wurden.

Turbo oder Targa? Warum nicht einfach beides! 

Vielleicht will Porsche die Diskussion erst gar nicht aufkommen lassen: Turbo oder Targa? Dabei könnte man ja sagen: Hauptsache Porsche 911. Aber so einfach ist es dann doch nicht. Der Turbo war schließlich ab 1974 die Speerspitze der Leistungsfähigkeit eines Elfers und schon rein optisch ein gewaltiger Muskelprotz. Die Kotflügel vorn zogen sich ziemlich in die Breite, aber vor allem das mächtige Heck zeugte von purer Kraft. Der ausladende Heckspoiler (Spitzname: Serviertablett), zu einem Teil mit der Motorhaube verschmolzen, verstärkte den Eindruck noch und sorgte hinten für den nötigen Abtrieb, um den Turbo in der Spur zu halten und die 260 PS direkt auf die Straße zu bringen. Denn der Turbolader schaltete sich ab 3.000 Umdrehungen ein und sorgte urplötzlich für einen Raketenstart, ohne dass der Pilot das Gaspedal auch nur einen Millimeter bewegte. Das war ungewohnt und nicht ungefährlich. Jeder, der einen Turbo kaufte, bekam von Porsche erst einmal Fahrunterricht verordnet.  

Offen für alles, aber unterschiedliche Elfer: Der Turbo Targa und das Turbo Cabriolet (Foto: Unternehmensarchiv Porsche AG)

Porsches berühmter Bügel 

Es gab auch den Targa. Ohne Fahrunterricht, aber mit dem berühmten Targa-Bügel. Dank der markanten B-Säule – erst aus gebürstetem Aluminium, später mattschwarz – konnte man das Kunststoffdach herausnehmen. Ein Sicherheitscabrio und damit ein Signal vor allem an den wichtigen US-amerikanischen Markt, dass man sich auch in einem offenen Porsche sicher fühlen konnte. Turbo und Targa, zwei Fahrzeugkonzepte, die maßgeblich an der Legendenbildung des Elfers beteiligt sind. Klar, dass die große Fangemeinde sich schon immer gewünscht hat, die beiden Dinge miteinander zu verknüpfen. Alle wollten das. Alle – außer Porsche. Die Ingenieure hielten die Targa-Karosserie schlicht für zu weich für die geballte Turbo-Power.

Der Sportwagen mit dem Regenbogen  

Aber deshalb sterben Träume nicht. Der Autoveredler Rainer Buchmann nahm sich Mitte der 70er Jahre einen 911 Targa SC vor, verstärkte die Karosserie vom Armaturenbrett bis zu den Schwellern, sorgte für eine echte Turbo-Optik und verbaute im Inneren die gesamte Turbo-Antriebstechnik. Und weil er schon dabei war, verschönerte er das Fahrzeug noch mit einem 50.000 D-Mark teuren Hifi-System und Bordtelefon. Ein 911 Turbo kostete damals rund 66.000 D-Mark, der Turbo Targa war doppelt so teuer. Das Fahrzeug war ein gigantischer Marketinggag. Auf der Photokina 1976 in Köln zierte es den Stand von Polaroid und war auch mit zwei bunten Streifen in deren Hausfarben bemalt. So wurde der Turbo Targa als Regenbogen-Porsche weltweit bekannt. Es gab drei Exemplare.

Vermutlich das schnellste Polaroid der Welt: Der Porsche 911 Turbo Targa in Regenbogenfarben (Foto: Unternehmen bb Rainer Buchmann)

Die entscheidende Frage: Ist er echt? 

Porsche zog erst 1987 mit einer kleinen Auflage nach. Das Fahrzeug kostete 135.000 D-Mark. Das große Schweigen macht den 911 Turbo Targa zu einem echten Geheimnis, das Begehrlichkeiten weckt. Auf dem Classic-Markt ist er tatsächlich der Porsche, den es nicht gibt. Wer doch einmal einen findet, sollte sich vor dem Kauf die Echtheit von Porsche bestätigen lassen. So wie bei diesem Exemplar. Es wurde einst in die USA ausgeliefert, kam bereits ein Jahr später zurück nach Deutschland. Dort wurde der Turbo Targa – zum Beispiel Stoßfänger, Scheinwerfer, Katalysator – wieder auf europäische Verhältnisse zurückgebaut.

Stärker als ein doppelter Espresso: Dieser Turbo Targa ist immer noch fahrbereit

Und dann kommt der Raketenstart… 

Neben der Volllederausstattung verfügt das pechschwarze Kraftpaket über weiteren Komfortschnickschnack wie elektrisch höhenverstellbare Sitze oder eine Klimaanlage, ein Beleg für seine US-amerikanische Vergangenheit. Der 3,2-Liter Motor leistet 285 PS, die von einem Viergang-Schaltgetriebe dirigiert werden. Von null auf 100 km/h sprintet er in 5,4 Sekunden, seine Höchstgeschwindigkeit erreicht er bei 260 km/h. So bietet er nicht nur einen seltenen Anblick, sondern auch das besondere Fortbewegungsgefühl, das nicht einmal die NASA bieten kann: einen Raketenstart an der frischen Luft.

Der Donnervogel aus dem Hause Ford

Groß, schwer und vor allem bequem: das Konzept des Thunderbird.

Thunderbird Convertible, Baujahr 1956  – wie das klingt, wie der aussieht (Foto: Ford)

Die Experten der zentralen Klassikabteilung der GTÜ in Stuttgart und vor Ort besitzen die notwendige Expertise für Klassiker aller Art. Dabei greifen sie auf fundiertes Wissen und eine umfangreiche, qualifizierte Datenbank zurück. Weil es viele spannende Aspekte zur Historie der verschiedenen Old- und Youngtimer gibt, veröffentlicht das Magazin KRAFTHAND in loser Folge exklusive Einblicke ins Archiv der Sachverständigenorganisation. Diesmal geht es um den Ford Thunderbird.

Ford will weg von der Gemütlichkeit 

Der Legende nach soll Ford Vize-Präsident Lewis D. Crusoe 1951 auf dem Pariser Automobilsalon angesichts der schmucken Flitzer europäischer Machart schlechte Laune bekommen haben. „Warum haben wir so etwas nicht?“, fragte der Manager seinen Chefstylisten George Walker. Der konnte kontern – er hatte wohl schon das Konzept für einen Wagen parat, der das gemütliche Ford-Image aufpolieren sollte. Die MG und Jaguar XK 120, die sich in den USA breit machten, nervten die US-Autobauer nämlich schon länger. Dazu waren die ersten Porsche im Herbst 1950 in New York aufgetaucht und der große Konkurrent GM arbeitete an einem Roadster, der Corvette heißen sollte.

Das Rad der Zeit: Lenken als raumgreifende Aufgabe

Ein Zweisitzer, satt und sicher 

Ein (Auto-)Rennen gegen die Zeit? Ford bewegte sich mit seinen neuen Ideen auf fremdem Terrain und ließ GM lieber den Vortritt. 1953 ging die Corvette als Erste ins Rennen – mit einigen Fehlern, einer Kunststoffkarosserie, die Probleme machte und einem relativ kleinen Sechszylindermotor. Zudem handelte es sich um einen puristischen Roadster mit Steckscheiben nach europäischem Geschmack. Ford ging ein Jahr später satt und sicher an den Start: Der Ford Thunderbird präsentierte sich als sehr schöner, bequemer Zweisitzer. Ein 4,8 Liter großes V8-Aggregat machte dem Namen Donnervogel alle Ehre, garantierte mit 144 kW reichlich Kraft und Schnelligkeit und wurde in der Basisversion von einem manuellen Dreiganggetriebe dirigiert. Ab Werk war der Thunderbird mit einem abnehmbaren Kunststoffhardtop ausgestattet, ein ordentliches Verdeck gab es zuerst nur gegen Aufpreis. 

Auch Marilyn Monroe liebt den T-Bird

Amerika entdeckte das andere Fahrgefühl und feierte seinen neuen Liebling. Zehn Tage nach Verkaufsstart lagen bereits 3500 Bestellungen vor. Zahlen, von denen die Konkurrenz nur träumen konnte. Aber weil die Kundschaft bei aller Liebe über schlechte Sicht und wenig Stauraum klagte, nahm Ford schon beim 56er-Modell leichte Modifizierungen vor. Der schicke Continental-Kit (gegen Aufpreis) verlagerte den Standort des Reserverads nach draußen an die hintere Stoßstange, zwei Bullaugen im Hardtop sorgten für besseren Durchblick, mit der zweiten Motorvariante – ein 5,1 Liter großes V8-Aggregat – knackte der Thunderbird die 200-PS-Grenze und war 190 km/h schnell. Alles Dinge, die den Kultstatus des T-Bird und seinen Erfolg befeuerten. Der Donnervogel zog eine Nation in seinen Bann. Selbst Marylin Monroe gönnte sich einen 56er T-Bird, der in den USA bis heute als eines der großen Symbole der Golden Fifties gilt.  

Schräger Vogel auf dem Weg ins Hotel California

Lieber Luxus als Kurvenlage 

Aber war er auch tatsächlich ein Sportwagen? Der Thunderbird war ein tolles Auto, aber eines, das lieber geradeaus donnerte. Kurven mochte es nicht so. Das Fahrwerk war verhältnismäßig weich, die Straße für den Fahrer nur schwer zu spüren. Und wer auch immer am Steuer saß, war nicht in einem Sitz fixiert, sondern rutschte auf einer durchgehenden Bank hin und her. Sehr amerikanisch – und wenig Sportwagen-like. Ford selbst nahm das böse Wort auch nie in den Mund. Schon während der Entwicklung hatte sich Crusoe entschieden, mehr auf das Luxussegment zu setzen. Bereits das 57er-Modell wurde über 15 Zentimeter länger (das Reserverad verschwand wieder im Kofferraum) und mit dem 58er-Modell brach Ford völlig mit der Ursprungsidee. In der Hoch-Zeit des Gigantismus wog der T-Bird stolze 2,5 Tonnen. Er verkaufte sich immer, hatte mit dem 55er-Modell aber nichts mehr zu tun. 

Am Ende frohlockt die Konkurrenz 

Der Ur-Bird lebte 2002 noch einmal auf – als Luxuscabrio im Retrodesign, das aber nicht für den europäischen Markt bestimmt war. Am 1. Juli 2005 rollte der letzte Retro-Bird vom Band. Seither ist der Donnervogel Geschichte. Und die ehemalige Konkurrenz? Die Corvette setzte sich durch. Sie ist heute ein besserer Sportwagen denn je. 

Dieser Beitrag ist erstmals im Magazin Krafthand vom 06. März 2022 erschienen, den ausführlichen Artikel lesen Sie hier.

Mit 280 Sachen durch den Keller

Das Beispiel von GTÜ-Partner Team Eifel Racing zeigt: Wo die Playstation aufhört, fängt Simracing gerade erst an.

Fotos: Stephan Zirwes

Nach dem Job ist vor dem Training. Wenn Lucas Nett (21) von der Arbeit kommt, geht’s runter in den Keller. Dort hat er sich alles zurechtgebaut, was ihn schneller macht als alle anderen. Rennsitz, Hightech-Lenkrad mit Force Feedback, Rechner, die nötige Software, zwei Bildschirme: Das Cockpit ist sein Zuhause. Eines, das volle Konzentration erfordert, wenn auf dem Bildschirm der Nürburgring, Monza oder Silverstone erscheint. Rennstrecken, die es gegen die Stoppuhr zu bewältigen gilt. Er muss sich dabei nicht allein auf sein fahrerisches Können verlassen. Auf Bildschirm zwei stehen ihm alle Daten von Rennwagen und Strecke zur Verfügung, die das Fahren noch besser machen können: Rundenzeiten, Telemetriedaten, Spritverbrauch oder der Zustand der Reifen bis hin zum Wetter. Schließlich ist sein Rechner mit der Rennstrecke irgendwo da draußen verbunden, weshalb die klimatischen Bedingungen auf dem Bildschirm so real sind wie viele andere Dinge hier im Keller auch. „Wenn ich hier auf dem Nürburgring fahre, und draußen am Nürburgring regnet es, dann regnet es auf meinem Bildschirm auch“, sagt Lucas Nett.

Auch auf dem Bildschirm regnet es

Ja, die Playstation ist ganz weit weg, die Realität dagegen ziemlich nah. So nah sogar, dass Rennsimulatoren bis in die Formel 1 hinein zu Test- und Trainingszwecken genutzt werden. Dabei sind sie nicht bei allen Piloten beliebt. Dieser intensive virtuelle Flirt mit dem wahren Rennfahrerleben kann einem ganz schön auf den Magen schlagen. Für Lucas Nett und seine Kollegen sind die Simulatoren allerdings Ausdruck purer Leidenschaft – sie leben für den Motorsport.

Rundumsicht bedeutet auch: rundum konzentriert bleiben

Sie kommen alle aus dem Kartsport. Ein schnelles Vergnügen in jungen Jahren, das meist ein jähes Ende nimmt. Denn, sagt Leon Dreiser: „Viele, die mit dem Kart anfangen, können sich später den Sprung in eine echte Rennserie einfach nicht leisten. Sie würden dem Motorsport verloren gehen. Deshalb fangen wir einige Talente mit Simracing auf.“ So entstand vor ein paar Jahren das Team Eifel Racing. Neben Lucas Nett und Leon Dreiser bilden Mikka Maximilian Buck, Luca Kalischan, Luis Velten, Tim Buck, Nicolas Schmitt, Philipp Romboy und Moritz Danhausen das bunte, schnelle Neuner-Team. Alles junge Draufgänger zwischen 14 und 22 Jahren, die die Liebe zum Motorsport verbindet.

Signalfarbe Grün: Team Eifel Racing ist startklar

Das GTÜ-Team gehört zu den professionellsten

Rund 1.000 Teams, schätzt Nett, gibt es derzeit in Deutschland. „Aber nur 50 bis 100 davon“, so Leon Dreiser, „sind ernsthaft professionell unterwegs.“ Team Eifel Racing gehört dazu, schon weil es mit der GTÜ einen zuverlässigen Sponsor gefunden hat. „Das ist ein echter Glücksfall für uns“, sagt Lucas Nett, „so konnten wir uns in diesem Jahr mächtig steigern.“ So eine Partnerschaft verlangt natürlich nach Präsenz. Eifel Racing findet sich auf Instagram und Facebook, das Team hat seinen eigenen Livestream, eine Internetseite und einen Onlineshop, der unter anderem Trikots mit Namen und Sponsor vertreibt.

Rückspiegel braucht es nicht, im 2. Gang geht’s nach vorn

Echte Profis eben, die in dieser Saison 56 Rennen in 14 Klassen gefahren sind. Ein Terminkalender, der die Freizeit ohne Tempolimit voll ausfüllt. Denn die Vorbereitungen pro Rennen dauern ungefähr drei Wochen. Das Fahrzeug muss stets optimal eingestellt werden: Spoilerwinkel, Telemetrie, Dämpfer, Reifen, dazwischen immer wieder Trainingsrunden, um weiter zu optimieren. Und das voraussichtliche Wetter am Renntag darf man auch nicht aus den Augen verlieren.

24 Stunden hinter dem Simulator-Lenkrad

Bereits seit zwei Monaten laufen die Vorbereitungen auf das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring, das vom 27. auf den 28. November ausgefahren wird: Teams einteilen, Taktik besprechen, Stints (Fahrerzyklen) festlegen, Fahrzeuge designen, trainieren, sich mental vorbereiten. Denn gerade bei diesem legendären Rennen holt die Simulation die grausame Realität ein. „Es ist wie beim richtigen 24-Stunden-Rennen“, sagt Lucas Nett, „die schlimmsten Stunden für die Fahrer kommen, wenn die Nacht geht und der Tag langsam erwacht.“

Und so wird weiter hart trainiert. Wenn Lucas Nett mit 280 Sachen durch seinen Keller rast, darf nicht viel schiefgehen. Bei einem Crash oder wenn er von der Strecke abkommt, ist der Wagen futsch. Gefahr für Leib und Leben besteht natürlich nicht, aber so ein Lenkrad mit Force Feedback kann bei einem Aufprall schon bis zu 110 Kilogramm an die Arme zurückgeben. Oder einfach durchdrehen. „Wenn du nicht rechtzeitig loslässt“, sagt Leon Dreiser, „wirst du zwar nicht verletzt. Aber angenehm ist es nicht.“

Simracing ist eben kein Spiel. Sondern echte Simulation.

Simracing: Fast alles ist wie echt