Made in China auf Rädern

Die Marken aus Fernost sind angekommen bei den GTÜ-Partnern.

Doppelte Staatsangehörigkeit: der neue Smart ist ein halber Chinese (Foto: smart Deutschland)

Irgendetwas ist anders an dem Auto, auch wenn es immer noch Smart heißt. Nicht nur, dass der ehemals ganz Kleine von Mercedes jetzt nur noch mit Ladekabel kommt und er künftig den Hashtag #1 als Modellbezeichnung tragen soll. Der Smart gibt als Heimatadresse zwar immer noch die Gegend von Stuttgart an, aber in Wirklichkeit ist er ein halber Chinese – 50 Prozent des Unternehmens sind an den Geely-Konzern übergegangen. So sitzt der andere, bestimmende Teil der Firma in der ostchinesischen Küstenstadt Ningbo. Deren Name bedeutet so viel wie „ruhige Welle“. 

Ein Auto, das wie die Chinesische Mauer heißt

Von wegen. Es ist eher eine Sturmflut, die auch über den deutschen Automarkt hereinbricht. China hat nicht nur von den Produktionszahlen her enorm gegenüber den traditionellen Auto-Nationen aufgeholt. Die Marken aus dem Reich der Mitte drängen nun auch massiv auf die Absatzmärkte in aller Welt. Damit kommen auch immer mehr chinesische Fahrzeuge bei den GTÜ-Partnern an – zur Prüfung und in den Werkstätten. Wir werden uns an Markennamen wie Aiways, Maxus, Seres, Ora, XPeng oder Dongfeng gewöhnen (müssen). Am eindeutigsten ist die Herkunft wohl bei Great Wall Motors.

Er heißt Tank 300 und sieht auch ein bisschen so aus: ein SUV von Great Wall Motors (Foto: GWM Global)

Peking erkennt früh die Macht der Konnektivität

Die Umstellung auf die E-Mobilität wird China noch mächtiger machen, von dort kommen heute 75 Prozent aller Batterien. Auch das Quasi-Monopol auf die speziellen Rohstoffe hat sich die Nation gesichert. Bei so viel Basis ist es klar, dass China nun auch beim Endprodukt Auto kräftig mitverdienen will. In Peking wurde früh erkannt, dass die Verbindung der Mobilfunktechnik 5G mit den E-Autos ein Schlüssel zur Eroberung der Automobilindustrie ist. Eine Wette auf die Zukunft, die aufzugehen scheint. 21 Millionen neue Autos sind im vergangenen Jahr in China auf den Markt gekommen, in Europa waren es 12 Millionen, in Deutschland 2,6 Millionen.

XPeng: Die Zukunft lässt aus Fernost grüßen (Foto: XPeng Inc.)

Gedacht und gebaut wird von der Batterie her

Der Traum wird umgekehrt gedacht als bislang üblich – von der Batterie her. Und so sehen wir plötzlich in Europa ungewohnte Fahrzeugfronten wie bei den vom Batterieproduzenten BYD entwickelten Limousinen – sie sollen an einen Drachenschnurrbart erinnern. Der große Anspruch entspricht ganz dem Namen der Drei-Buchstaben-Firma aus Shenzen, BYD steht für „Build your dreams“. Andere Designer haben die Heckleuchten so gestaltet, dass sie die Struktur chinesischer Knoten imitieren. Made in China auf Rädern, das bedeutet auch, dass die Gestaltung und die Qualität stimmen müssen. Lifestyle auf Rädern, dass soll den Pionier Tesla zunehmend alt aussehen lassen. Das Vorurteil, Chinas Autos seien nur billige Kopien, ist längst nicht mehr haltbar.

Wenn aus Batterien ganze Automobile werden: Der HAN von BYD (Foto: BYD)

„Die Revolution des Bewegens“

Autovermieter Sixt setzt ebenfalls auf den größten E-Auto-Hersteller der Welt, und will in den nächsten Jahren 100.000 Fahrzeuge von BYD kaufen, mehrere Tausend davon sollen schon bald erhältlich sein. Bei diesem Liefertempo tun sich einheimische Autobauer schwer. Schon warnen Branchenverbände, aber auch Politiker vor einer neuen Abhängigkeit. FAZ-Korrespondent Frank Sieren hat die chinesischen Technologiekonzerne ausgiebig analysiert und bringt den Wandel auf den Punkt: „Die Revolution des Bewegens“.

Wie von Zauberhand wechselt der NIO die Batterie

Mit NIO ist jetzt auch einer der chinesischen Pioniere hierzulande angetreten, und will selbstbewusst gleich Nachhilfe geben: „Entdecke Deutschlands Horizonte“. Das Unternehmen des Milliardärs William Li setzt dabei auf bayrisches Knowhow und hat seine Technik und sein Design in München stationiert. Die Mitarbeiter kommen zwar aus 29 Nationen, aber vor allem sind es natürlich ehemalige BMW-Experten, die jetzt an einer neuen Zukunft arbeiten. Sagenumwoben ist ein technischer Zaubertrick von NIO, bei dem die Batterien in kurzer Zeit vollautomatisch komplett getauscht werden. Mit leerem Akku in eine Art großen Kasten rein rollen, nach ein paar Minuten im grünen Bereich wieder raus. Die ersten Serviceparks dieser Art entstehen bereits entlang der deutschen Autobahnen.

Das Rein-Raus-Konzept der Akkus von NIO (Foto: NIO)

Autos im Abo wie Filme bei Netflix 

Auch die Rahmenbedingungen werden von den Chinesen verändert. Die Autos von NIO lassen sich per App bestellen. Die ehemalige Volvo-Marke Polestar verkauft in schicken Innenstadtlounges statt im herkömmlichen Autohaus. Lynk spricht längst von Usern, nicht mehr von Fahrern, die sie dann auch konsequent duzt. Die Geschäftsidee, in dieser Reihenfolge, lautet: Abonniere, kaufe, leihe. Abgerechnet wird monatlich, wie bei einem Netflix-Abo. Wer mehr im und um das Auto haben will, kann sich das nach dem Motto „Hol Dir soviel Auto wie Du willst“ dazu buchen.

Gekommen, um zu bleiben

Das Tempo der chinesischen Hersteller ist nicht nur bei Vermarktung und Technik enorm hoch, selbst wenn einige bis vor wenigen Jahren noch auf den Bau von Motorrädern oder Landwirtschaftsmaschinen spezialisiert waren. Die jungen Unternehmen lernen schnell dazu, gerade auch bei Sicherheitsthemen. Alte Vorurteile greifen nicht mehr. Mit der Qualität wächst das Selbstbewusstsein. Die „Wirtschaftswoche“ vermeldet daher: „Chinas Autobauer fühlen sich in Deutschland wie zuhause.“ Sie sind gekommen, um zu bleiben.

Die Zukunft genehmigen

GTÜ setzt Impulse auf der IAA Transportation.

Da kommt was ins Rollen – die IAA Transportation ist aufgeladen mit Ideen (Fotos: Philipp Reinhard)

Der Name ist neu, die Stimmung ist gut: Erstmals findet die Nutzfahrzeug-IAA mit dem globalen Zusatz „Transportation“ statt, und der frische Wind in Hannover beschränkt sich keineswegs bloß auf die Buchstaben. Ein Feuerwehrauto mit Steckdose, ein futuristischer VW Bulli für den Notarzt, Roboterlieferwagen für die Innenstädte – und vieles davon tatsächlich schon für morgen. Es sind tatsächlich die versprochenen „neuen Wege“, die hier aufgezeigt werden. Die Aufmerksamkeit ist groß, denn die Branche ist lebenswichtig für das Land. Zu den gut 1400 Ausstellern zählen die GTÜ und ihr Partnerunternehmen ATEEL. Auch der GTÜ-Auftritt zeugt von Zukunft, das Motto „360° Service – Testing.Inspection.Certification“ trifft auf fruchtbaren Boden. Umbruch und Aufbruch zugleich.

Starthilfe für Start-Ups

Frank Weber, Leiter Homologation & Zertifizierung bei der GTÜ, sieht fast schon wieder das Niveau der letzten IAA vor der Pandemie erreicht: „Die Branche blickt positiv in die Zukunft. Alternative Antriebe und erneuerbare Energien spielen eine große Rolle auf der Messe.“ Die neuen Technologien erfordern Fachwissen, das Weber und seine Kollegen liefern können: „Es geht viel um Umrüstungen und Umbauten.“ Vor allem Start-Ups interessieren sich dafür, wie sie zu Herstellern werden können und sehen in der GTÜ einen interessanten Partner. Viele Gespräche am Stand in Halle 12 drehen sich um Zulassungen, Genehmigungen und Sicherheitsprüfungen. Das Angebot reicht natürlich weiter, bis hinein ins klassische Werkstattgeschäft, wo auch bei der Transformation insbesondere der Arbeitsschutz eine Rolle spielt. Auch die Zertifizierung von Managementsystemen wird stark nachgefragt.  „Für die GTÜ macht es viel Sinn, in Hannover Flagge zu zeigen“, weiß Weber, „wir sind damit in einem wichtigen und wachsenden Markt für unsere Geschäftskunden sichtbar.“

GTÜ-Experten sind schon mitten drin in der Mobilitätswende

Ein Dieselmotor, der mit Wasserstoff läuft

Der Güterverkehr spielt eine wichtige Rolle beim Klimaschutz und der Versorgung der Bevölkerung, setzt dabei auf Vielfalt und stellt sich dementsprechend breit auf bei der neuen Mobilität. Als Alternative zum Batterieantrieb profiliert sich weiter die Brennstoffzelle, schon arbeitet beispielsweise Bosch an der Umrüstung von Dieselmotoren auf Wasserstoff. Daimler Truck bringt neue leistungsfähige Akkus für vollelektrische Lkw, MAN zeigt eine Studie mit einer Reichweite von bis zu 800 Kilometern, die schon 2024 serienreif sein könnte. Die Cargo-Variante des VW ID.Buzz ist praktisch schon ausverkauft, aus allen Ländern kommen neue Ideen, sei es von Volvo, Ford, Iveco oder Hyundai. Alle transportieren sie die Hoffnung auf möglichst schnellen Wandel. Die GTÜ trägt mit einer Bandbreite von Services zu dieser klimaneutralen und technischen Transformation bei.

Ein vollelektrischer Truck von Daimler ist die Attraktion in Hannover (Foto: Daimler Truck AG)

Die Ruhe vor dem Sturm: Anlaufstelle GTÜ auf der IAA

Wie kommen die E-Scooter in den See?

Wenn die Mikromobilität maximal ärgerlich wird.

Redaktionsfahrrad Lassie als Vorbild für ordentliches Parken von E-Scootern (Foto: Bernhard Kahrmann)

So richtig Ernst genommen hat Lassie, das Bonanzarad der Blogredaktion, die neue Konkurrenz im Nahverkehr zunächst nicht. Tretroller, was für ein Kinderkram. Aber aus Kindern werden irgendwann Leute, und aus Tretrollern werden E-Scooter. Für die einen, die weder gern treten noch gern laufen, ein Segen. Für die anderen, die ständig den batteriegetriebenen Trittbrettern auf dem Bürgersteig ausweichen müssen, ein Fluch. Die neue Mobilität hat natürlich das Recht aller Pioniertaten, erst nach einer gewissen Anlaufzeit ihren richtigen Platz auf der Welt zu finden. 

Der Scooter als Wegwerfartikel

Für E-Scooter ist zumindest klar, wo sie nicht hingehören. Mitten in Stuttgart beispielsweise schlummern auf dem Grund des Feuersees, der vom beschaulichen Tümpel mit Fontäne zum nächtlichen Party-Treffpunkt wurde, etliche der Flitzer. Ganz sicher nicht versehentlich dort geparkt, auch nicht im Winter auf der Eisfläche eingebrochen. Sondern schlicht als Wegwerfartikel missbraucht. Ein Partyspaß ist das nicht, auch keine logische Fortführung eines Wochenendes, das für manche mit „Fridays for Future“ beginnt. Natur und Gewässer können nicht streiken, sie müssen stumm die Batterien schlucken. Selbst gemietete E-Bikes werden gern versenkt. Ob die Fahrer das auch mit ihrem Eigentum machen würden?

Die Zeche zahlen alle

Mit der in den USA praktizierten nachhaltigen Idee, alte Waggons der New Yorker U-Bahn vor der Atlantikküste dem Ozean zu übergeben, damit sich in den rostigen Metallgerippen Fische tummeln können und wieder echtes Riffleben entsteht, hat das auch nichts zu tun. In Stuttgart leben vorzugsweise Schildkröten und Schwäne am und im See, und die haben ein eigenes Holzhäuschen. Was mit den E-Scootern getrieben wird, ist schlichtweg Ausdruck einer gedankenlosen, höchst ärgerlichen und ziemlich unsozialen Wegwerfmentalität. Der See muss demnächst abgelassen werden. Die Zeche für die Dummheit einzelner zahlen einmal mehr alle.

Batterie leer, Kopf entleert

Wer abends oder morgens durch Großstädte flaniert, muss oft einen echten Slalom über quer oder längs auf den Gehwegen geparkten Rollern bewältigen. Eine Falle für alle, die schlecht sehen oder körperlich eingeschränkt sind. Viele Nutzer machen sich nicht mal die Mühe, den integrierten Ständer zu benutzen, sie werfen die Mietgefährten einfach hin. Gern auch ins Gebüsch. Batterie leer, Kopf entleert. (Oder umgekehrt.) Es ist die jüngste mobile Steigerung einer immer rücksichtsloseren Wegwerfgesellschaft, die im Kleinen mit der achtlos aus dem Autofenster geschnippten brennenden Zigarettenkippe beginnt.

Strenger bei Kühlschränken

In Köln liegen angeblich 500 E-Roller im Rhein, laut WDR wollen sich nicht alle Vermieter darum kümmern, dass der Elektroschrott geborgen wird, obwohl die Akkus im Wasser undicht werden können. Offenbar arbeiten mittlerweile mehrere Städte daran, die Umweltverschmutzung mit Strafen zu belegen. Argument: wer seinen alten Kühlschrank einfach im Wald entsorgt, wird auch angezeigt. Der Deutsche Städtetag will die Unternehmen in Pflicht nehmen, für die Bergung und Entsorgung geradezustehen. Der Anbieter Bolt bedient sich der künstlichen Intelligenz, um seine Kunden zur Vernunft zu zwingen. Nach dem Abstellen muss ein Bild vom E-Scooter und dem Parkplatz gemacht werden, der Algorithmus gibt dann grünes oder rotes Licht. Auch viele Städte bedienen sich der Software, um der Flut von Fahrzeugen und der Klagen darüber Herr zu werden.

Gute Absichten allein reichen nicht

So wird die Mikromobilität zum maximalen Ärgernis. Umweltbewusstsein im Verkehr hat weniger mit der gewählten Antriebsart, dafür mehr mit dem eigenen Verhalten zu tun. Schließlich werben die meisten Anbieter damit, den Verkehr nachhaltig und lebenswert zu machen. Für Lassie ist es eine Selbstverständlichkeit: So wie Technik immer Sicherheit braucht, gehört zum Verkehr stets Verantwortung. Für sich selbst und für andere.