Jozef Kaban – der Mann, der ŠKODA modern machte

Die Blog-Serie zu den berühmtesten Automobildesignern, Teil drei.

© Skoda

Sie bestimmen das Aussehen unserer Autos, und damit auch das, was wir im Alltag sehen oder fahren. Aber die Gesichter der Designer selbst bleiben in der Regel im Verborgenen. Stille Künstler. Dabei verbergen sich dahinter selbst echte Typen. In dieser Serie stellen wir einige der angesehensten Fahrzeugschöpfer vor. Diesmal: Jozef Kaban, der revolutionär bei Škoda wirkte und inzwischen Elektro-Automobile für MG gestaltet.

Menschen machen Autos unverwechselbar

Die erste Inspiration des Tages, da muss Jozef Kaban nicht lange nachdenken: „Das waren all‘ die unterschiedlichen Menschen, die ich heute morgen getroffen haben.“ Als er das sagt, sitzt er noch in der Design-Villa auf dem Škoda-Werksgelände in Mladá Boleslav und blinzelt ins Sonnenlicht. Gut, dass er sich dann für das Gespräch doch leicht zur Seite neigt, denn seine Augen erzählen immer mit. Es scheint, als ob er sich jeden Satz selbst plastisch macht. Jozef Kaban spricht an diesem Tag lange und gern über das, was ihn inspiriert. Vor allem über die Inspirationen, die er in Tschechien gefunden hat. Sie dienten dazu, den Automobilen von Škoda eine Unverwechselbarkeit zu verleihen und den Sprung von der Ostblock-Marke zur ansprechenden Marke im Volkswagen-Konzern zu werden:Eine wichtige Inspiration ist für mich, dass man sich gut überlegt, wie weit eine Marke die Menschen prägt, und wie Menschen die Marke prägen.

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Ein Weltenbummler des Autodesigns

Škoda markiert die Mitte seiner bisherigen Karriere. Zuvor hatte Kaban Automobile für Audi und Bugatti gestaltet, danach bei BMW und Rolls Royce, heute ist er bei der Traditionsmarke MG. Der Mann mag so zum Weltenbummler in Sachen Design geworden sein, aber Herkunft besitzt für ihn immer Zukunft. Denn: „Es ist wichtig, dass man um seine Heimat weiß. Dieses Wissen gibt einem die Möglichkeit, sich freier zu entfalten – weil man immer diesen sicheren Hafen im Hinterkopf hat.“ So, wie sich Tschechien in den letzten Jahren entwickelt hat, machte auch Škoda einen Sprung nach vorn, dem damaligen Werbeslogan entsprechend: Simply clever.

Kombination von Emotion und Funktion

Das entspricht auch der Mentalität des 1973 in der Slowakei geborenen Kaban, der weiß: „Die Menschen hier sind begeistert von Technologie, sie lieben aber genauso das Familiäre. Diese Bindung ist kein Zufall, Funktion und Emotion gehören zusammen. Das sind auch meine Werte.“ Und die seiner Autos, die sich durch viele praktische Details auszeichneten und schon früh die Connectivity als wichtiges Merkmal besaßen, ob Octavia, Superb oder Kodiaq. An Studien für die Elektromobilität hat er schon früh im letzten Jahrzehnt gearbeitet.

Liebe macht den Designer blind

Wie Designer zu ihren Entwürfen kommen, ist häufig Geheimsache. Jozef Kaban aber gibt gern einen Einblick in seinen Schaffensprozess: „Es gibt nicht nur den einen Weg zum künftigen Modell. Wir haben zwar anfangs eine Vorstellung davon, wie der gestalterische Prozess verlaufen könnte. Aber dennoch muss sich alles entwickeln. Man sollte nicht sofort das nachbauen, das einem als Erstes in den Kopf gekommen ist.“ Denn: „Sonst verpasst man die Chance, es vielleicht noch besser zu machen. Die Richtung muss klar, aber die Wege dahin sollten auch breit sein. Es ist wie ein Marathon – nur dass ich am Anfang noch nicht weiß, wie lang die Strecke tatsächlich ist.“ Merksatz: „Man darf sich nicht verlieben in eine Skizze – der Verliebte ist oft blind.“

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Warum Autos eine Seele haben

Dem Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Bratislava folgte der Master of Art in Fahrzeugdesign am Royal Collage of Art in London. Schon früh manifestierte sich der tiefe emotionale Ansatz bei Jozef Kaban: „Jede Sache braucht eine Seele, zumindest jede Sache, die etwas bedeuten soll. Deshalb muss man den Autos eine Seele geben. Wir umgeben uns doch gern mit Sachen, die eine Ausstrahlung besitzen.“ Für ihn ist dabei klar: „Es muss ein Design sein, das vom Menschen inspiriert ist, nicht von der Maschine. Wenn etwas ein Antlitz hat, wird man es anders wahrnehmen, anders behandeln. Man muss den Menschen mit dem Auto einen Raum geben, weiter zu träumen.  Es gibt keine Uniformität im Leben und im Design.“

Ein Auto ist kein Weihnachtsbaum

Was sich an seiner eigenen Vita zeigt. Von Skoda ging es zunächst auf den Chefposten bei BMW, dann weiter zu Rolls-Royce und anschließend zurück zu Volkswagen. Im April 2024 dann folgte ein noch größerer Sprung, um die alte britische Marke MG im Auftrag der chinesischen SAIC Motor Corporation fähig für das Elektro-Zeitalter zu machen. Egal ob E-Sportwagen oder E-SUV, Jozef Kabans gestalterische Grundsätze bleiben klar: „Ich möchte Autos nicht dekorieren, sie sind doch kein Weihnachtsbaum. Ich sehe sie eher wie eine nackte Schönheit. Jedes Detail beim Auto ist mitverantwortlich für den Gesamteindruck der Figur. Wenn bei Torten die Form nicht ausreicht, werden sie verzuckert. Aber ich versuche, die richtige Form zu schaffen. Eine, die keine Glasur braucht.“

Ein Kunstmuseum geht auf Achse

Die BMW Art Cars sind seit 50 Jahren unterwegs.

Ken Done / BMW M3 Gruppe A / 1989, Foto: www.bmw.com

Seit fünf Jahrzehnten werden Kunstwerke von BMW rasend gemacht, 20 der berühmtesten Künstler der Welt durften die so genannten Art Cars ganz nach eigenem Gusto gestalten. Die rollenden Skulpturen bieten einen Querschnitt durch die Kunstgeschichte, vom Minimalismus über die Pop-Art bis zur Abstraktion. Was für eine Spielwiese aus Kunst, Design, Technologie! Zum Jubiläum reisen die schönsten Exemplare um die Welt, in der Münchner BMW Welt haben vom 16. Juni an M3 Art Cars von Sandro Chia, Michael Jagamara Nelson und Ken Done ein Heimspiel.

Am Anfang steht eine schräge Idee

Der Franzose Hervé Poulain steht mitten im New Yorker Guggenheim-Museum, zu dem sich der Baumeister tatsächlich von Autorrädern hat inspirieren lassen, und erzählt, wie es zu der rasantesten aller Kunstgeschichten kommen konnte. Der Rennfahrer war 1975 auf die Idee gekommen, Motorsport und Kunst zusammenzubringen – was sich auf den ersten Moment schräg anhört. Der verrückte Einfall, der beim damaligen BMW-Rennleiter Jochen Neerpasch auf fruchtbaren Boden fällt, bringt Poulain einen Sitz beim 24 Stunden Rennen von Le Mans. Vor allem aber bewegt es den US-Künstler Alexander Calder dazu, einen BMW 3.0 CSL zu lackieren. Der spontane Einfall geht in Serie: Die BMW Art Cars sind geboren, und sie feiern in diesem Jahr ihr großes Jubiläum.

Alles Originale, aber unverkäuflich

Der Wert der Sammlung, die komplett im Besitz des Münchner Automobilherstellers ist, lässt sich nur schätzen – auf mehr als eine halbe Milliarde Euro. Sie ist nichts für Spekulanten, jedes der rasenden Kunstwerke trägt das Etikett: unverkäufliches Einzelstück. Nur eine einzige Vorschrift ist allen Künstlern bei der Gestaltung gemacht worden: Die Aerodynamik der Autos darf nicht beeinflusst werden, und das Gewicht sich nicht erhöhen. Denn die Art Cars gehen richtig ins Rennen.

Die Art Cars sind Publikumslieblinge

Der Härtetest gehört zum Prinzip der Sammlung – eine glaubwürdigere Anzeigenkampagne für das Kulturprogramm von BMW und die Verbindung von Kunst und Technologie sieht man nicht. „Hinter der Idee steckte die pure Leidenschaft, kein Konzernkalkül. Und nach dem ersten Boxenstopp wurde das Calder-Auto damals in den Siebzigern zum Publikumsliebling“, weiß der BMW-Kulturbeauftragte Thomas Girst, „und diese Geschichte lassen wir weiterleben.“ Die M-Power wird um die Vorstellungskraft ergänzt. Künstler, Ingenieure und Motorsportler eint, dass sie immer ans Limit gehen wollen. Ihre Energie ist die Emotion.

Schon mal einen rasenden Lichtenstein gesehen?

Eine bestimmte Zahl von Ersatzteilen müssen sie gleich mit bemalen, das lehrt die Erfahrung. Jeff Koons hat manches Teil sogar drei Mal signiert, um es für den Fall eines Unfalls auf Halde zu haben. Die meisten Rennfahrer scheren sich wenig darum, wie ihr Auto bemalt ist – sie sitzen ja drin. Beim Publikum sieht das ganz anders aus, es feiert die besonderen Lackierungen. Viele Künstlernamen aus der Art Car Collection wären auch gut als Fahrernamen auf den Seitenscheiben vorstellbar: Frank Stella, Roy Lichtenstein, Robert Rauschenberg oder David Hockney haben einen guten Klang.

Andy Warhol kommt ins Ziel

Das berühmte Auto von Alexander Calder, dass den Weg für die BMW Art Cars bahnte, war 1975 schon nach sieben Stunden ins Le Mans reif fürs Museum – Kardanwelle defekt. Auch Frank Stellas Coupé wurde in Le Mans und Dijon vom Pech verfolgt. Den ersten Erfolg mit Kunstbezug fährt dann 1977 tatsächlich der französische Ideengeber Hervé Poulain ein, Roy Lichtensteins Rennwagen belegte den neunten Platz im Gesamtklassement und den ersten in seiner Klasse. Auch der M1, den Andy Warhol in nur 28 Minuten bemalte, erlebte seine Feuertaufe in Le Mans 1979. Wieder mit Poulain, aber auch mit einem Manfred Winkelhock hinter dem Steuer – es reichte für den sechsten Gesamtrang. „Ich liebe das Auto“, scherzte Warhol, „es war besser als die Bemalung…“

Hat jemand noch einen Plan?

Eine Kolumne über das innere Navigationssystem.

Jeder kennt die erlösenden Worte: „Sie haben Ihr Ziel erreicht.“ Ich bin also da. Aber wo bin ich eigentlich? Bin ich überhaupt selbst gefahren, oder einfach nur dieser – zugegebenermaßen angenehmen – Stimme nachgereist („Nach 323 Metern rechts…“)? Habe ich überhaupt wahrgenommen, warum ich abgebogen bin, wieso es unbedingt diese Route sein musste? Bin ich etwa selbst schon so automatisiert wie dieses Navigationssystem?

Als sich die Umgebung noch entfalten konnte

Wer seine Mitmenschen überraschen möchte, manche damit vielleicht auch erschrecken, der kann das ganz leicht tun. Es reicht schon die Fangfrage: Kannst Du eigentlich noch Kartenlesen? Zurück kommt dann meist ein Stirnrunzeln, bei vielen ein energisches Kopfschütteln oder die entsetzte Rückfrage: „Warum sollte ich?“ Praktisch jeder, den Autor inbegriffen, denkt mit Grausen daran, wie kompliziert es war, im Auto die Patent-Faltpläne erst auseinander und dann vor allem jemals wieder zusammen zu bekommen. Längst aber ist klar: sie helfen, sich zu entfalten. Im Wortsinn.

Vom rechten Weg abgekommen

Zugegeben, dass war tatsächlich eine dunkle Seite der Straßen-Karten-Romantik. Aber die Auseinandersetzung mit Wegen und Orten war vielleicht auch genau deshalb eine andere, intensivere. Wer die falsche Route gewählt hat, der wusste, dass er selbst schuld war, und hat es sich vielleicht auch deshalb gründlicher überlegt. Heute haben viele auch auf dem täglichen, immergleichen Weg zur Arbeit das Navi an – vielleicht auch nur, um zu sehen, wie viele Minuten langsamer oder schneller es im Gegensatz zum Vortag war. Aber ein Gefühl für Weite und Nähe schaffen sie trotz allem nicht.

Nicht alles auf eine Karte setzen

Karten besitzen keine Multi-Funktionen. Aber sie helfen, den Raum zu begreifen, sich selbst im Raum zu begreifen. Das ging schon als Kind, mit dem Finger über die Landkarte. Sozusagen die Trockenübung fürs Verreisen. Um nicht als hoffnungslos old fashioned abgestempelt zu werden, nimmt diese Kolumne jetzt die Künstliche Intelligenz zu Hilfe. Sie gibt sich bei der Streitfrage tatsächlich unparteiisch: „Eine Landkarte bietet eine umfassende Übersicht und ermöglicht ein besseres Verständnis von Entfernungen und Proportionen, während ein Navigationssystem eine präzise Wegführung und Echtzeitinformationen liefert.“

Bild: stock.adobe.com/RomanR

Plötzlich ist die Straße Grün

Verstanden, dass es um die eigene Weltanschauung geht. Die sollte einem generell keine KI abnehmen, jedenfalls wäre das beruhigender. Einen Plan haben oder keinen Plan haben, das ist höchst individuell. Aber wir bleiben dabei: ohne Software können sich reizvollere Perspektiven ergeben, mancher Umweg entpuppt sich als das genaue Gegenteil eines Irrwegs. Die reiseerfahrenen Kollegen vom Thevandog-Blog behaupten sogar: „Das Risiko, die Schönheit einer Region zu übersehen, kann kaum größer sein, folgt man seinem Navigationsgerät auf dem vorgeschlagenen Weg.“ Und sie folgen meist den grün gekennzeichneten Straßen auf den Karten, denn diese Farbe steht für „sehenswert“.

Karten bleiben der große Sehnsuchtsverstärker.

Merkst Du noch was?

Der Härtetest für den modernen Navigator, dessen maps sofort den nächstgelegenen Tierarzt oder eine Dönerbude auswerfen kann, kommt beim technischen Blackout: Kein Monitor, kein GPS, kein Netz – und schon ist verloren, wer nicht vorher wenigstens besondere Bauwerke oder markante Punkte in der Landschaft registriert und im Unterbewusstsein abgespeichert hatte. Im Altstadt-Gewirr von Barcelona hat das den Autor einmal gerettet. Er gibt aber auch gern zu, bei der Fahrt von Aachen nach Belgien nur aus dem Gedächtnis heraus dann plötzlich in Holland gelandet zu sein.

Wo wir wirklich hinwollen

Der aufmerksame Kollege aus der Redaktion lauscht gern solchen Geschichten, gibt aber zu bedenken: „Wir finden uns in aller Welt zurecht. Aber wenn wir nur von Stuttgart in den Schwäbischen Wald wollen, ist das ein kompliziertes Unterfangen, das anscheinend nicht mehr ohne technische Hilfsmittel zu bewerkstelligen ist.“ Natürlich sind digitale Routenplaner ein Fortschritt – was die Funktion angeht. Aber in Sachen Faszination ist es ein Rückschritt gegenüber der Landkarte. Denn die hilft uns besser zu verstehen, wie die Welt um uns herum aussieht. Aber die Entscheidung, wo wir wirklich hinwollen, die kann uns sowieso niemand abnehmen. Auch wenn es das Navi immer und immer wieder versucht.

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